Interaktiver 360-Grad-Film: Was ist das?
Bei einem interaktiven 360-Grad-Film Art verlassen Zuschauer die passive Rolle und interagieren stattdessen mit virtuellen Inhalten. Aber wie funktioniert diese Interaktion? Und wie nutzen Unternehmen diese Filme?
Was bedeutet überhaupt „interaktiv“?
Entscheidendes Element bei der Interaktion ist die Bewegungs- und Navigationsfreiheit: Der Betrachter wird zum Teilnehmer, kann sich gezielt im virtuellen Bereich umsehen, steuern und das Geschehen vor seinen Augen beeinflussen.
Für diesen Zweck wird ein PC oder eine passende Brille bzw. ein Cardboard mit Smartphone benötigt. Interaktive 360-Grad-Filme lassen sich also am Computer oder auf mobilen Devices ansehen.
Der Betrachter eines Rundum-Videos kann mittels Maus bzw. Pfeiltasten der Tastatur oder über die Brille navigieren. Bei der zweiten Variante steuert er mit einer Kopfbewegung, indem er einen Punkt ähnlich wie die Hand einen Mauszeiger auf einem Bildschirm lenkt. Mit dem Tippen einer Schaltfläche oder via Sprachbefehl wird die Auswahl bestätigt. Weiterhin lassen sich einige 360-Grad-Videos auch durch Laufen in verschiedene Richtungen erkunden.
Wie werden Hotspots genutzt?
Hotspots können 360-Grad-Filme ergänzen. Hotspots sind Punkte, bei deren Anklicken bestimmte Aktionen ausgelöst werden. Hinter den Hotspots können sich verschiedenste Informationen verbergen: Texte, Klänge, Fotos und weitere Videos.
In diesem Beispiel führen die Hotspots zu unterschiedlichen Orten in Dubai. Kleine Symbole mit Legende zeigen an, ob es sich bei dem Hotspot um ein Video, eine Info oder einen externen Link handelt.
Ein Ortswechsel bei einem interaktiven 360-Grad-Film kann auch vom Strand in die Lagune, von der Umkleidekabine eines Bekleidungsgeschäftes zum Spiegel oder vom Flugzeug in den Fallschirmsprung erfolgen.
Wann und wo kommen interaktive 360-Grad-Filme zum Einsatz?
Interaktive 360-Grad-Filme werden von Unternehmen zum einen für die Schulung von Mitarbeitern eingesetzt. Statt Fort- und Weiterbildungen mit Vorlesungscharakter erhält das Team einer Firma beim Corporate eLearning die Gelegenheit, virtuell in den jeweiligen Arbeitsbereich einzutauchen und diesen interaktiv zu erkunden.
Weiterhin lassen sich interaktive 360-Grad-Filme für Führungen nutzen. Der Betrachter kann den Ort rundherum auskundschaften und durch Klicken von einem Raum in den nächsten wechseln.
Somit besteht die Möglichkeit, tiefgehende Einblicke in die Arbeitsumgebung zu erlangen. Auf diese Weise lassen sich Werkshallen, Produktionsstätten, Wartungsanlagen uvm. erkunden.

Referenzfilme sind ein dritter Bereich, in dem interaktive 360-Grad-Filme zum Einsatz kommen. Unternehmen demonstrieren auf diese Weise, dass sie mit der Zeit gehen und moderne Videolösungen nutzen, um sich online wie offline darzustellen.
Daher eignen sich interaktive Rundumfilme für Präsentationen wie Messen. Apropos Präsentation: Ein ansprechender, interaktiver 360-Grad-Film hat auch Auswirkungen auf die Kaufentscheidungen von Produkten im Internet, wie Program Manager Oliver Meidl in Global Webshop erläutert:
„In einer Online-Umgebung, wo Kunden die angebotenen Produkte nicht physisch inspizieren können, liegt – neben Faktoren wie klarer Navigation und einfacher Auftragsabwicklung – ein Hauptaugenmerk auf der Produktpräsentation. Sie hat Kunden mit einer Mischung aus Information und Darstellung anzusprechen, die durchaus ein Präsentationsvideo oder eine 360-Grad-Rundumansicht beinhalten kann.“ (S. 53)
Für alle beschriebenen Einsatzzwecke gilt, dass sich interaktive 360-Grad-Filme sowohl auf der eigenen Website als auch auf bekannten Videoportalen wie YouTube sowie in sozialen Netzwerken wie Facebook einsetzen lassen.
Wirksamkeit und Effekte von interaktiven 360-Grad-Videos
Der als Virtual Empathy bezeichnete Effekt gibt die Macht an den Nutzer, wie Magnifyre schreibt. Die Marketingagentur kommt in einem Experiment mit StoryUp VR zu einem erstaunlichen Ergebnis: Dabei wurden ein klassisches Video und ein inhaltlich identischer 360-Grad-Film auf Facebook beworben. Die durchschnittliche Betrachtungsrate stieg beim Rundumfilm allerdings um 100 Prozent.
Um die Performance von 360-Grad-Videos zu testen, starteten Google und Columbia Sportswear ebenfalls einen direkten Vergleich. Produziert wurde, wie im vorhergehenden Beispiel, ein klassisches Werbevideo und ein 360-Grad-Werbefilm für TrueView, die Anzeigeplattform von YouTube.
Das Ergebnis: Der Rundum-Clip hatte eine höhere Klickrate, eine längere Verweildauer, wurde häufiger in Social Media geteilt und erhielt insgesamt laut Google-Blog 41 Prozent mehr Earned Actions bei YouTube.
Weitere Zahlen bestätigen den Effekt: So fand die Gesellschaft für Konsumforschung heraus, dass User 5-mal länger auf einer Webseite bleiben, wenn ein 360-Grad-Panoramarundgang angeboten wird.
Interaktive 360-Grad-Lösungen im Tourismus
Auch die Tourismusbranche nutzt 360-Grad: Die Hotelkette Omni Hotels verzeichnete einer Unternehmensstudie zufolge bereits 2007 nach dem Einsatz virtueller Rundum-Touren einen Buchungszuwachs um 67 Prozent. Weitere Hotelketten wie Marriot, Shangri-La und Hilton bauen ebenfalls den Bereich VR/360-Grad aus. Hierzulande ist Simeon Schad, Geschäftsführer des V8-Hotels, von interaktiven 360-Grad-Filmen überzeugt. Der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung verriet er:
„Weil wir so einzigartige Zimmer haben, bietet sich diese Art der Präsentation absolut an für uns.”
Ähnliches weiß auch Ronnie Paetow, Sales-Director des Radisson Blu Hannover, zu berichten:
„Kaufentscheidungen fallen schneller und in direkter Folge auf den Film. Viele Besichtigungstermine, die früher stattfanden, sind überflüssig geworden.“
Dabei zeichnet sich für den Rundumfilm laut MarkentingTech ein Trend ab:
„360-Grad-Video und VR werden weiter wachsen und sich in den nächsten Jahren in einer Vielzahl von weiteren Branchen zur Marketing-Technologie durchsetzen.“
Interaktive 360-Grad-Filme erzielen daher auch positive Effekte im Bereich Marketing.
Grenzen interaktiver 360-Grad-Videos
Der Vorteil der Interaktion kann beim 360-Grad-Film zum Nachteil werden, wie Skyword schreibt:
„Es gibt auch das Problem von Interaktionen: 360-Grad-Video kann immersiv sein, aber es existiert als völlig getrennte Erfahrung von dem individuellen Benutzer. Ja, Sie können sehen, wie es sich anfühlt, in der Locke einer Meereswelle zu surfen. Aber Sie können nicht an dieser Erfahrung teilnehmen. Tatsächlich kannst du nichts tun, um diese Erzählung voranzubringen.“
Daher müsste es richtigerweise Interreaktion heißen, da dem Handlungsspielraum des Akteurs Grenzen gesetzt sind. Für die reine Narration sind 360-Grad-Filme eher ungeeignet, da der Zuschauer sich durch die individuelle Auseinandersetzung mit der virtuellen Umgebung seine ganz eigene Geschichte zusammenbaut.
Produktionsumfang kann sich von klassischen Filmformaten unterscheiden
Die Produktion interaktiver 360-Grad-Videos stellt eine Herausforderung dar. Denn dabei muss mit der stärkeren Zuschauerpräsenz gearbeitet werden als bei klassischen Filmen. ARTE360-Grad-Projektleiter Kay Meseberg sieht hierfür zwei Wege: Das dramaturgische Erzählen und die Lenkung des Zuschauers durch Effekte. Das bedeutet Aufwand.
Der Beginn einer 360-Grad-Produktion mit dem Ziel Interaktion ist wie bei klassischen Filmprojekten auch die Konzeption. In Verbindung mit der Auswahl der hierfür benötigten Technik und der Planung des Umfangs lässt sich eine erste Kostenaufstellung realisieren.
Höherer Aufwand bei der Postproduction
Die Postproduction kann durch Stitching, Cleaning und Rendering einiges an Zeit und Sorgfalt in Anspruch nehmen. So werden beim Plate-Verfahren die einzelnen Aufnahmen so zusammengesetzt, dass aufgezeichnetes Material der verschiedenen Einstellungen und Winkel perfekt ineinandergreift und störende Elemente wie ein Stativ manuell herausretuschiert sind.
Die genannten Arbeitsschritte werden mit professioneller Software durchgeführt, die jedoch das geschulte Auge benötigt. Hinzu kommt die Insertation von Hotspots und weiteren Navigationselementen wie Menus oder Pfeilen, um eine vollumfängliche Interaktionserfahrung zu ermöglichen. Für die Produktion von 360-Grad-Filmen ist also auch ein gewisses Maß an Programmierung erforderlich.
Mehr Aufwand für ein intensiveres Erlebnis
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass interaktive 360-Grad-Filme zwar aufwendiger als klassische Filme sind, dafür jedoch auch in den unterschiedlichsten Branchen erfolgreicher performen. Dies gilt vor allem online, wie das im Artikel geschilderte Experiment von Google zeigt. Zuschauer schätzen die Möglichkeit, selbst am virtuellen Spaß teilzunehmen. Ein Potenzial, welches der interaktive 360-Grad-Film liefert.